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EM 2024 General Sozialkampf

Die ganze Stadt (k)ein Stadion?! – Gentrifizierung & Exklusion

Wenn wir über Gentrifizierung sprechen, meinen wir den gezielten Aufwertungsprozess von Orten oder ganzen Stadtteilen, durch Sanierungen oder andere bauliche und gestalterische Maßnahmen. Dies geht einher mit steigenden Mieten und Lebenserhaltungskosten. So werden gezielt Menschen angelockt, die über genügend finanzielles Kapital verfügen, wodurch sich dann auch teure Geschäfte in der Gegend ansiedeln und halten können. Dies geht zu Lasten aller Menschen, die weniger Geld zur Verfügung haben. Für sie ist es entweder nie eine Option dorthin zu ziehen sie müssen wegziehen, da sie sich die Mieten und Lebenserhaltungskosten nicht mehr leisten können.  Selbst, wenn sie die Miete noch stemmen können haben sie oft keinerlei Teilhabemöglichkeiten mehr, da alle Preise (Freizeitaktivitäten, Friseurstudio, Cafe usw.) auf das Budget von reicheren Menschen angepasst werden.

Und was hat das jetzt mit der EM zu tun? Im Rahmen der EM bzw. der Vorbereitungen für diese wurde viel Geld in Sanierungs-, Umbau- und Sicherheitsmaßnahmen gesteckt. Das Ziel ist eine möglichst attraktive Stadt für zahlende Gäste zu präsentieren. Das zeigt sich besonders am Cannstatter Bahnhof, in den Millionen geflossen sind. Wie wir in unserem ersten Beitrag zur EM beschrieben haben, werden armutsbetroffene, suchtkranke und wohnungslose Menschen verdrängt. Neben dieser (kurzzeitigen) Verdrängung, bleibt der Versuch den Bahnhof und die Umgebung langfristig aufzuwerten. Etwas zu sanieren, umzubauen, neu zu gestalten oder durch mehr Beleuchtung aufzuwerten, ist natürlich per se nichts schlechtes, im Gegenteil. Allerdings stecken dahinter eben oft Gentrifizierungsmaßnahmen.

Man sollte sich also fragen: Welches Ziel steckt dahinter? Für wen ist die Aufwertung? Für die Menschen, die sich dort bisher aufhielten, die dort leben und arbeiten? Oder ist das Ziel einkommensstärkere Menschen anzuziehen und die Mieten erhöhen zu können? Cannstatt wurde lange als Stadtteil abgewertet. Seit einigen Jahren beobachten wir allerdings die gezielte Aufwertung von Teilen des Stadtteils, womit steigende Mieten und erzwungene Umzüge einhergehen. Ein sanierter Bahnhof, neue schicke Bars, ein aufgewertetes Bahnhofsviertel, neue Wohnviertel… Solche Gentrifizierungsprozesse finden nicht von heute auf morgen statt und sind demnach nicht immer leicht erkennbar, aber sie sind real und werden häufig erst erkannt, wenn die „ursprünglichen“ Bewohner*innen längst verdrängt sind. Wenn jetzt schon so teure Maßnahmen nur aufgrund der EM und zahlstarken Gästen getroffen wurden, für wen werden diese Maßnahmen dann wohl in Zukunft gut sein?

Im Zuge der EM wurde auch Leerstand „bekämpft“. Es könnte ein Grund zur Freude sein, endlich wird Leerstand bekämpft, endlich mehr bezahlbarer Wohnraum? Zu früh gefreut. Es ging nicht um bezahlbaren Wohnraum, sondern darum Lücken zwischen Schaufenstern zu schließen, da dies ja für die EM-Gäste nicht schön aussehe. Gesucht wurde nach Pop-Up Läden, die schnell die Flächen einnehmen und die Lücken schließen. Klar, Pop-Up Stores sind für Eigentümer*in, Ladenbetreiber*in und Stadt gewinnbringend. Aber wäre bezahlbarer Wohnraum nicht gewinnbringender für alle?

Doch die Auswirkungen der EM treiben auch noch auf andere Weise Wohnkosten in die Höhe. Die Hotelkosten explodieren, denn egal wie viel verlangt wird, es wird Menschen geben, die zur EM anreisen und das zahlen (können). Hotelkosten = Wohnkosten? Das mag einigen fremd vorkommen, allerdings gibt es recht viele alleinstehende Menschen sowie Familien, die (dauerhaft) in Hotels leben, da dies eine Option ist wohnungslose Menschen vorrübergehend unterzubringen. Je nach Einkommenssituation und Leistungsanspruch werden die Kosten vom Sozialamt oder selbst übernommen. Für Menschen, die die Kosten selbst tragen müssen, ist ihr zuvor bezahlbares Zimmer  plötzlich nicht mehr zahlbar. Ein billigeres, bzw. überhaupt eins zu finden ist quasi unmöglich. Hinzu kommen alle Menschen, die aufgrund von Wohnungslosigkeit, Gewalterfahrungen oder anderen Gründen kurzfristig eine Unterkunft brauchen oder von ihrem Zuhause fliehen müssen und in einem Hotelzimmer Schutz finden könnten. Die Kosten sind, wenn nicht eh schon ausgebucht, unbezahlbar. Es bleibt der Weg auf die Straße, in eine Mehrbett-Notunterkunft oder zurück in Gewaltverhältnisse.

An dem Beispiel der Gentrifizierung zeigt sich also erneut, welche schwerwiegenden Folgen die Stadt, die UEFA und andere profitorientierte Funktionäre bewusst in Kauf nehmen, um die EM stattfinden zu lassen. Dass dabei die Lebensgrundlage und Sicherheit von Menschen gefährdet wird, ist zweitrangig. Gegen genau diese drastischen Folgen wollen wir uns stellen und durch kritische Einordnungen aufzeigen, dass die ganze Stadt zu einem kommerzialisierten, gentrifizierten, gewaltvollen und verdrängenden Stadion gemacht wird! Wir sagen aber:

Die ganze Stadt kein Stadion! Die ganze Stadt uns Allen!